GESCHICHTE DER BÜRGERLISTE - 1987
VON DER "LISTE" ZUR PARTEI
“Politik ist mehr als berechtigte Einzelinitiativen”, charakterisiert Elisabeth Moser den Tenor der bewegten 80er Jahre. Das Engagement der Bürgerliste richtete sich nicht mehr nur gegen die hemmungslose Zerstörung ihrer Stadt. Kluge Sozialpolitik – vom bis heute umstrittenen “sozialen Musterwohnbau” Forellenweg (1987), der vergangenes Jahr bei der 2. UN-Konferenz über menschliche Siedlungen HABITAT II in Istanbul als eines der besten Beispiele für eine lebenswerte Gestaltung einer Siedlungsanlage ausgezeichnet wurde sowie das Einbremsen von Wohnungsvergaben nach Parteimitgliedschaft bis hin zu einer verbesserten Betreuung pflegebedürftiger Menschen – gehöre in einer lebenswerten Stadt ebenso in Angriff genommen, wie die Sorge um das Grün rund ums eigene Wohnviertel, meint die Gemeinderätin.
“Das Zuviel-auf-einmal-Wollen, strukturelle und politische Widerstände und ganz einfach auch Fehler, wirkte freilich auch kontraproduktiv, überforderte und verschreckte einen Teil der früheren bürgerlichen Wähler”, kommentiert Dachs diesen Wandel, bei dem die “Josefinische Ungeduld”, die Voggenhuber bisweilen an den Tag legte, eine wesentliche Rolle spielte. Ein Beispiel dafür wäre das Projekt des auch in der Bürgerliste heftigst umstrittenen “Siza-Turms”auf dem Mönchsberg. 1987 sollte ein gläserner Lift nach den Plänen des portugiesischen Architekten Siza Gäste zum Café Winkler befördern.
1987 fiel der Stimmenanteil auf 10,2 Prozent, was einen Verlust von zwei Mandaten und des Stadtratssitzes bedeutete.
Derart stark reduziert und unvermutet in den Oppositionsstatus zurückgeworfen, galt es zunächst einmal sich neu zu orientieren. “Es war eine schwierige Phase, alle haben uns prophezeit, dass wir jetzt politisch tot sind”, erinnert sich Johann Padutsch.
Kein Wunder: Die “politischen Kaliber” von einst – Johannes Voggenhuber, Herbert Fux und Eckehart Ziesel – waren von der Bühne der Stadtpolitik abgetreten, die nun im Gemeinderat sitzenden Bürgerliste-Mandatare großteils politisch praktisch unbedarft. Die Sache mit dem “Untergang” sollte sich freilich als etwas vorschnell geurteilt entpuppen.
Was an Erfahrung fehlte, wurde durch Engagement wettgemacht. Und schon bald zeigte die Bürgerlisten-Fraktion, wie sehr dem politischen Mitbewerber mit konstruktiver Oppositionspolitik zugesetzt werden kann:
Der mittlerweile leider verstorbene Arzt und Bürgerlisten-Mandatar Eckhard Schaller mobilisierte die Bürger in bis dahin kaum gekanntem Ausmaß gegen die Salzachgarage: Angeführt von etwa 100 Ärzten gingen 3.000 Menschen auf die Straße, um sich gegen die geplante Zerstörung an Umwelt und Lebensqualität zu wehren.
Gemeinderätin Elisabeth Moser machte die Öffentlichkeit auf gravierende Missstände in den Altenheimen aufmerksam. Fragen nach einer Pflege, die den betroffenen älteren Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation gerecht wird, wurden erstmals auf breiten Ebene thematisiert. Mosers Kampf um mehr Qualität in der Pflege stellte die Sozialkompetenz der Bürgerliste mehr als deutlich unter Beweis.
Johann Padutsch wiederum deckte – massiv unterstützt von der Publizistin Ursula Rotter – die unglaublichen Grundstücksspekulationen im Andräviertel auf. Die aufwändige Recherche, für die das Grundbuch und zig Kaufverträge durchforstet wurden, sorgte in Salzburg für einen Knalleffekt: Große Unternehmen hatten die Immobilienpreise massiv in die Höhe getrieben, in dem sie die Objekte konzernintern mehrmals weiterverkauft haben.
An der kleinen, aber ungemein regen Bürgerlisten-Fraktion führte kein Weg vorbei. Auch nicht im Gemeinderat: Obwohl sie nur zehn Prozent der Mandate innehatte und sich einer absoluten SPÖ-Mehrheit gegenübersah, verschaffte sich die vierköpfige Oppostions-Mannschaft konsequent Gehör. Etwa, wenn es um den Verkehr – ein Dauer-Streitthema in der Landeshauptstadt – ging: Das noch unter Stadtrat Voggenhuber beschlossene verkehrspolitische Ziel- und Maßnahmenpaket mit seiner Parkraumbewirtschaftung, den Tempo-30-Zonen und dem Busspurenkonzept wurde in den Jahren 87 bis 92 auf massives Betreiben der Bürgerliste auch tatsächlich umgesetzt.
Nur eines von vielen Beispielen, die belegen, in welchem Ausmaß die Bürgerliste durch profilierte Arbeit die Politik mitbestimmte.