GESCHICHTE DER BÜRGERLISTE - 1999
Sechseinhalb Jahre lang hatten die Mandatare der Bürgerliste hart gearbeitet, am 7. März 1999 – dem Tag der Gemeinderatswahlen – hoffte man die Früchte dafür zu ernten. Den Strich durch die Rechnung machte das Kleinformat. In einer geradezu beispiellosen Hass-Kampagne zog die Kronen Zeitung damals gegen Johann Padutsch zu Felde und machte damit in wenigen Wochen eine gehörige Portion der langjährigen politischen Arbeit wieder zunichte. Das ernüchternde Ergebnis am 7. März 1999: der Wähleranteil der Bürgerliste reduzierte sich von 16,5 auf 13,7 Prozent, ein Mandat ging verloren, aus dem “Vizebürgermeister” wurde ein “Stadtrat”. Nach der Wahl sollte der Oberste Gerichtshof zwar den Vorwurf der Bürgerliste bestätigen, die Kronen Zeitung habe mit ihrer Kampagne eine “unwahre und Kredit schädigende Berichterstattung” betrieben, am Ergebnis der Wahl änderte die späte Gerechtigkeit freilich nichts mehr.
Ungeachtet dessen hieß es im März 1999: an die Arbeit. Und zu tun gab es für die sechs MandatarInnen der Bürgerliste genug. Dass das Salzburger Radwegenetz diesen Namen zunehmend zu verdienen begann, dass für die Kinder in den Schulen der Landeshauptstadt in Salzburgs nur noch ergonomische Schulmöbel angeschafft werden durften, dass bei neuen Bauprojekten verstärkt Erneuerbare Energien zum Einsatz kamen – all dies war dem Einsatz der Bürgerliste zu verdanken.
Ihrem Verständnis folgend, dass alle BürgerInnen in jeder Hinsicht gleichberechtigt sein sollten, setzten sich die Bürgerliste zudem massiv für Integration in jeder Hinsicht ein: Zum Beispiel für die Zugänglichkeit von öffentlicher Infrastruktur für Menschen mit Behinderung, für einen AusländerInnenbeirat oder für die generelle Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Selbstredend, dass ein Kampf wie dieser nicht in einer Periode gewonnen werden kann, aber immerhin: „Barrierefreiheit” ist dank des Engagements der Bürgerliste ein Thema, an dem kaum ein Bauherr mehr vorbei kann, die Front gegen einen AusländerInnnbeirat bröckelt zunehmend und was die Gleichstellung von Lesben und Schwulen angeht, so gelang es der Bürgerliste, im Gemeinderat eine „Salzburger Deklaration für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung” durchzubringen. Mit knapper Mehrheit übrigens: ÖVP und FPÖ waren dagegen.
UNVEREINBARKEIT IN DER BÜRGERLISTE: EIN MANN MUSS GEHEN
Im Februar 2000 hatte die Bürgerliste dann kurzzeitig andere Sorgen, es „knatschte” in der Fraktion: Mandatar Werner Salmen, seines Zeichens Obmann der Rechten Altstadt, wollte in seiner Funktion als Gemeinderat darüber entscheiden, ob sein Verein Subventionen in Millionenhöhe von der Stadt erhalten sollte. Für den Rest der Bürgerliste stellte Salmens Interessenslage einen klaren Fall von Unvereinbarkeit dar, den man weder bei einer anderen Partei und schon gar nicht in den eigenen Reihen zu dulden bereit war: Werner Salmen musste die Bürgerlisten-Fraktion verlassen.
DAS BEWUSSTSEIN FÜR DIE DEMOKRATIE SCHÄRFEN, DIE VERGANGENHEIT NICHT VERGESSEN
Das Bewusstsein für das zu schärfen, was Demokratie ausmacht, und zugleich vor dem zu warnen, was diese Demokratie gefährdet hat und immer noch gefährdet, prägte die Arbeit der Bürgerliste vielleicht am plakativsten. Zu Allerheiligen waren es über Jahre hinweg ihre MandatarInnen, die gegen das Vergessen ankämpften und den Aufmarsch der Kameradschaft IV vor dem Kriegerdenkmal mit einer Kranzniederlegung für die von der Waffen-SS getöteten Deserteure in ein anderes Licht rückten.
Und es war die Bürgerliste, die – als das offizielle Salzburg dem Exil-Juden Theodor Herzl eine Gedenktafel errichtete – diesem so stolz gedenkenden Salzburg einen Spiegel vorhielt. Für die BürgerlistlerInnen war der in der Causa „Herzl-Gedenktafel” wieder einmal gepflegte Umgang mit der Geschichte einfach unerträglich: Auf der Tafel fand sich die Herzl-Aussage „In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu”, wobei der Rest des Zitates verschämt verschwiegen wurde: „Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden.”
Unmittelbar und hautnah ging es in Sachen „Menschenrechte” dann aber im Sommer des Jahres 2000 zu, als die große Demonstration gegen den in Salzburg tagenden Weltwirtschaftsgipfel beinahe außer Kontrolle geraten wäre. Eine völlig unkoordinierte Exekutive schaffte es nicht, eine Handvoll Randalierer aus dem Verkehr zu ziehen, sondern kesselte rund 700 friedlich gegen die Auswüchse der Globalisierung demonstrierende Menschen ein. Nebst Bürgermeister Heinz Schaden und dem Grünen Landessprecher Labg. Cyriak Schwaighofer war es vor allem Bürgerlisten-Klubchef Helmut Hüttinger, der sich vermittelnd einschaltete und so zum gewaltfreien Ende der höchst kritischen „Kesselsituation” beitrug.
KAMPF GEGEN ARCHITEKTONISCHES MITTELMASS UND LANDSCHAFTSZERSTÖRUNG
So mancher Kampf in dieser Periode wurde freilich auch verloren. Etwa jener gegen die von ÖVP und SPÖ betriebenen Großprojekte, die sich vor allem durch zwei Merkmale auszeichnen sollten: enorme Kosten und mittelmäßige Architektur. Obwohl andere Flächen wesentlich geeigneter gewesen wären für ein Fußballstadion, und obwohl der Protest gegen den Standort sogar internationale Dimensionen annahm, wurde die Fußballarena ausgerechnet direkt vor die Tore von Schloß Kleßheim gesetzt. Die Bürgerliste warnte rechtzeitig, aber vergeblich vor explodierenden Kosten, ungelenkten Besucherströmen und der drohenden Verkehrsbelastung für die umliegenden Stadtteile – die politische Mehrheit blieb stur und nahm in Kauf, dass durch den Stadionbau ein einzigartiges, kunsthistorisch wertvolles Landschaftsbild zerstört wurde.
Gegen architektonisches Mittelmaß vermochte die Bürgerliste auch beim Umbau des Kleinen Festspielhaus sowie beim „Museum am Berg” nichts auszurichten. In beiden Fällen versuchte die Fraktion vergeblich zu verhindern, dass hunderte Millionen Euro in Bauten fließen, die Salzburgs Stadtbild noch auf Jahrzehnte hinaus wenig vorteilhaft prägen werden. Attraktivere Alternativen wurden von der politischen Mehrheit konsequent zu Grabe getragen, wie zum Beispiel das von Johann Padutsch ins Spiel gebrachte „Museum im Berg”. Trotz großer Zustimmung aus allen Bevölkerungsschichten blieb es bei der Diskussion um den wirklich großen architektonischen Hollein-Wurf für Salzburgs Museumslandschaft.
Der Geldverschwendung war’s mit diesen Großprojekten freilich noch nicht genug, es mussten noch acht Millionen Euro für eine erfolglose Olympiawerbung den Bach hinuntergehen. Warnungen der Bürgerliste, dass Olympia 2010 – dieser Sportevent der Superlative – für die Mozartstadt weder ökologisch und schon gar nicht ökonomisch bewältigbar wäre, kümmerten die Großparteien nicht. Auf Landes- wie auf Stadtebene trafen sich SPÖ und ÖVP im Olympiataumel, die Bewerbung wurde durchgezogen.
FÜR DEN SCHUTZ DER BÄUME UND GEGEN WILDWUCHS AN HANDYMASTEN
Mehr noch als die Großmannssucht der Großparteien sollten die Bürgerlisten-Mandatare – und hier vor allem Stadtrat Johann Padutsch – in dieser Legislaturperiode aber von zwei anderen Themen auf Trab gehalten werden: Bäumen und Handymasten!
Als im Februar 2002 im Zuge von Kanalarbeiten am Mayburgerkai praktisch handstreichartig sämtliche Bäume den Kettensägen zum Opfer fielen, ging ein Sturm der Entrüstung durch die Bevölkerung. „Wozu ein Salzburger Baumschutzgesetz?”, fragten sich viele, wenn es einen derart radikalen Schnitt ja doch nicht verhindern könne. Es war Johann Padutsch, der sich um eine „Wiederaufforstung” im Sinne der AnrainerInnen bemühte und dem diese schlussendlich auch gelang. Ein durchaus nachhaltiger Erfolg: Die Causa „Mayburgerkai” sollte in der Folge einen Neubeginn für besseren und effizienteren Baumschutz in Salzburg symbolisieren.
Absolut kompromisslos zeigte sich Johann Padutsch in seinem Einsatz für die Gesundheit der Bevölkerung. Dafür nahm der Bürgerlisten-Stadtrat sogar ein Strafverfahren in Kauf. Als sich Mobilfunk-Betreiber bei der Errichtung von Handy-Masten nicht an den mit der Stadt vereinbarten „Salzburger Vorsorgewert” hielten, verweigerte Padutsch bei insgesamt acht Anlagen die Bewilligung und sah sich in der Folge prompt mit einer Anklage der Staatsanwaltschaft wegen „Missbrauches der Amtsgewalt” konfrontiert.
Das Verfahren endete mit einem Freispruch, zeigte aber, wie weit die politische Beharrlichkeit gehen muss, um zu tun, wozu sich nach Ansicht der Bürgerliste jeder Mandatar, jede Mandatarin verpflichtet fühlen sollte: nämlich die Gesundheit der Bevölkerung über das kommerzielle Interesse Einzelner zu stellen.